News von Norderney

05.04.2020
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Norderney / Quarantäne Tag 14

Quarantäne Norderney – 14 Tage isoliert. Die Insulaner dürfen nicht mehr aufs Festland und Festländer nicht mehr auf die Insel. Notizen von Norderney

Norderney Isolationsende

Heute ist der letzte Tag der Isolation und heute ist der erste richtig tolle Frühlingstag. Zwar dürfen ab morgen alle Insulaner wieder auf das Festland (und zurück!) und alle Pendler und Handwerker wieder an ihren Arbeitsplatz aber Gäste müssen weiterhin auf dem Festland bleiben.

Die Lockerung wurde in den Sozialen Medien so negativ aufgenommen, dass der Bürgermeister sich genötigt sah hierzu etwas zu sagen*. Wahrscheinlich muß man sich an die schrittweise Lockerung der Beschränkungen auch ein wenig gewöhnen.

Insulaner unter sich

Man hat immer gedacht man kennt alle auf der Insel. Aber nach jedem Spaziergang hat man viele Gesichter gesehen, die man gefühlt noch nie gesehen hat. Von dem Gedanken, dass man alle kennt haben sich in den letzten zwei Wochen viele Insulaner verabschiedet.

Es gibt halt viel Saisonpersonal und Neuinsulaner ( sei es durch einen Job auf der Insel aber auch viele Festländer die ihren Lebensabend hier verbringen) und natürlich wächst auch immer was nach 🙂

Lagerkoller?

Nein! Dadurch, dass das Wetter schon sehr schön war und sich die Quarantäne auf die Insel und nicht auf die Wohnung / das Haus bezog waren die 14 Tage recht gut auszuhalten. Viele Insulaner entdeckten die Insel neu für sich.

Wrack am Ostende

Das Wrack und der Strand haben wahrscheinlich noch nie so viele Einheimische gesehen wie in den letzten zwei Wochen. Netterweise hat der örtliche Baumarkt (Garrels) einen Lieferservice angeboten, so konnte man diverse handwerkliche Projekte fertigstellen. Ansonsten: Aufräumen und Putzen geht immer, an allen Ecken hört man die Kärcher  brummen.

Existenzängste?

Die wirtschaftlichen Seiten der Coronakrise treffen die Insel hart. Kurz vor der Saison ist der warme Regen, den die Osterurlauber bringen nötig. Alle Insulaner leben vom Tourismus. Den April haben eigentlich schon alle abgeschrieben – der Mai kann vielfach nicht auch noch verschmerzt werden. Hier geht es nicht darum, auf Gewinn zu verzichten sondern um die nackte Existenz.

Osterfeuer / Ostern fällt aus

Die meisten Gespräche der Insulaner drehen sich dennoch nicht um die wirtschaftlichen Auswirkungen, sondern es geht mehr um die merkwürdige Situation auf der Insel so ganz ohne Gäste. Man kann sich einfach nicht daran gewöhnen, es fühlt sich irgendwie falsch an…….

Corona Infizierte

Der vierte Tag in Folge ohne Neuinfektion. Es bleibt bei 2 Insulanern. Link zu den aktuellen Zahlen des Landkreises.

— Wir hoffen, dass es nicht noch mal zu einer Quarantäne kommt und wünschen allen Gesundheit! —


Statement des Bürgermeisters:

Landkreis lockert Zugangsbeschränkungen zu den Inseln!

Gestern Nachmittag ereilte uns zusammen mit einer neuen Allgemeinverfügung folgende Nachricht vom Landkreis Aurich:

Der Landkreis Aurich lockert die Restriktionen für die Inseln. So werden die bestehenden Ausgangsbeschränkungen für Insulaner aufgehoben. Das heißt: Ab Montag, 6. April 2020, dürfen Personen, die ihren ersten Wohnsitz auf Norderney, Juist oder Baltrum haben, die Inseln wieder verlassen bzw. vom Festland auf die Insel fahren. Und auch Firmen, die auf der Insel tätig sind, können dort wieder arbeiten. Bislang war dies als Ausnahme auf die „kritische Infrastruktur“ beschränkt.
Urlauber und Zweitwohnungsbesitzer sind von der Lockerung ausdrücklich ausgenommen. Für sie gilt weiterhin ein Beförderungsverbot.

Diese Mitteilung stößt bei uns Einheimischen erwartungsgemäß auf ein geteiltes Echo. Waren viele Bürgerinnen und Bürger gerade noch erleichtert ob der hoheitlichen Konsequenz hinsichtlich der Durchsetzung von Aufenthaltsverboten für Touristen und Zweitwohnungsbesitzer, macht sich nach zehn wirklich ruhigen Tagen und einem signifikanten Rückgang der akuten Infektionen seit wenigen Stunden in Teilen der Bevölkerung eine große Beunruhigung breit:

Die Rückkehr des Coronavirus durch Berufspendler wird befürchtet. Das Verständnis für diese neue Verfügung des Landkreises hält sich sehr in Grenzen. Es wird mitunter sogar die Rücknahme der entsprechenden Verfügung eingefordert. Als Bürgermeister, der ich in jeder Angelegenheit grundsätzlich immer der erste Ansprechpartner bin, möchte ich den Versuch wagen, die Entscheidung des Landkreises aus meiner Sicht zu erklären:

Am 22.03.20 hatte der Landkreis die verschärften Zugangsbeschränkungen zu den Inseln Norderney, Juist und Baltrum verfügt, womit der Bewegungsradius der einheimischen Bevölkerung außerhalb ihrer Insel erheblich eingeschränkt wurde. Hintergrund war die gewonnene Erkenntnis, dass aufgrund der eingeschränkten intensivmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten auf den Inseln eine erhöhte Ausbreitungsdynamik positiv beeinflusst werden muss. Der Landkreis wollte in jedem Fall einen Hotspot auf den Inseln vermeiden. Die Verlaufskurve von Neuinfektionen sollte möglichst flach gehalten werden, um die Krankenhauskapazitäten nicht zu überlasten. Eine vollständige „Coronafreiheit“ kann mit den heute zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nicht gewährleistet werden.

Mit dieser Verfügung wurden die verfassungsrechtlich geschützten Freiheitsrechte der insularen Bevölkerung maßgeblich beeinträchtigt, wie nirgendwo sonst bei uns im Land. Auch ein Großteil der übrigen deutschen Inseln (Landkreise) hatte von solch weitreichenden Entscheidungen abgesehen. In solchen Pandemiesituationen sind derartige Einschränkungen aber grundsätzlich zulässig. Es hat sich zudem gezeigt, dass es auch insgesamt eine recht hohe Akzeptanz für diese Einschränkungen gab. Allerdings erfordert eine solche Maßnahme, dass diese fortlaufend auf ihre Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit vor dem Hintergrund des angestrebten Ziels überwacht und im Zweifel zurückgenommen wird, falls sie nicht mehr zwingend erforderlich ist. Das Ziel war die Eindämmung der Neuinfektionen durch eine Minimierung des Ansteckungsrisikos.Tatsächlich haben wir heute noch eine Anzahl von zwei Coronainfiziierten auf Norderney, die erfreulich niedrig ist. Damit wird deutlich, dass die Maßnahmen der letzten Wochen gegriffen haben.

Der Landkreis war daher gehalten, die starken Einschränkungen der Grundrechte vor dem Hintergrund des bislang erreichten Ziels und des Risikos von Neuinfektionen durch eine Lockerung der Zugangsbeschränkungen abzuwägen – auch aufgrund der Tatsache, dass sich in den letzten Tagen mehr und mehr Insulaner nicht mehr so wirklich mit diesen Einschränkungen anfreunden konnten. Gründe waren hier u. a. wochenlange Familientrennungen und existenziell notwendige Fahrten auf das Festland.

Die vorgenannte Lockerung des Zugangsverbotes wurde seitens des Landkreises mit dem Gesundheitsamt abgestimmt, das ausdrücklich zugestimmt hatte. Die prognostische Beurteilung der Situation ist heute eine andere, als noch vor zwei Wochen. Ohne Zweifel ist es in einer solchen Ausnahmesituation niemals möglich, es allen und jedem Recht zu machen. Zu unterschiedlich und vielfältig sind die Interessenslagen, zu schwierig ist es für den Einzelnen, sich in die Schuhe des Anderen zu stellen. Es gibt keine rechnerische Größe, keine Erfahrungswerte, keine Datengrundlage, die in dieser nie dagewesenen Krisensituation nur eine einzige korrekte Entscheidung bedingen würde. Was dennoch bleibt, ist ein ungutes Gefühl! Die Angst, doch nicht alles getan zu haben, die Gefahr abzuwenden. In einer sich stabilisierenden Lage leichtsinnig geworden zu sein.

Daher kann man diese Entscheidung auch nicht pauschal als richtig oder falsch bewerten. Sie beruht nach neuer Einschätzung der Lage in erster Linie auf rechtlichen Erwägungen. Wir haben ab Montag immer noch mehr Einschränkungen in Kauf zu nehmen, als jede andere Insel oder Kommune auf dem Festland.

Natürlich gilt nach wie vor, dass die Gesundheit der Bevölkerung über allem stehen muss.

Wichtig wird es daher sein, die nach wie vor geltenden Kontaktverbote strikt einzuhalten und das auf der Insel in den letzten Wochen gelebte soziale Miteinander auf der Basis räumlicher Distanz weiterzuleben und aufeinander acht zu geben. Sollten sich die Coronainfektionen tatsächlich wieder nach oben entwickeln, dann muss darauf sehr kurzfristig reagiert werden, und zwar genauso, wie es in den letzten Wochen nahezu täglich geschehen ist.

Ich werde selbstverständlich aus dem Rathaus weiterhin alles in meiner Macht stehende dazu beitragen, die gegenwärtigen Einschränkungen, da wo es möglich ist, abzumildern.

Meine lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger, bleiben Sie bitte alle gesund!

Ihr Bürgermeister

Frank Ulrichs

 

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