Tatort: Tödliche Flut

Katastrophe!

Am Sonntag dem 24.1.2021 gab es zur Primetime den Tatort Tödliche Flut. Die Handlung spielte auf Norderney. Leider war der Film alles andere als Werbung für die Insel. Das Drehbuch war eine Aneinanderreihung von Klischees, die Aufnahmen kamen meistens nicht von der Insel, der Film insgesamt eher langweilig.

Alle Schauspieler und auch fast alle Statisten kamen vom Festland. Die meisten Aufnahmen wurden auch auf dem Festland gedreht – für viele Zuschauer enttäuschend, sie hatten sich auf mehr Norderney gefreut.

Völlig daneben war auch, daß die Hauptdarstellerin seit frühster Jugend reihenweise den Männern auf der Insel (und dem Kommissar) den Kopf verdreht! Hallo! Auch wir Insulaner finden das allgemein übliche Schönheitsideal gut und sind eher etwas abgeschreckt von linksradikalen Ökofundamentalistinnen mit verfilzten Haaren und selbstgestrickten Isländerpullis.

Rahmenhandlung

Die Rahmenhandlung bediente Stereotypen reihenweise. So übertrieben  schwarz / weiß gemalt ist langweilig, plump und nimmt einem auch keiner ab. Der Immobilienhai, der mit der Politik und der Verwaltung unter einer Decke steckt und in den Dünen ein Hotel baut (weil er die Politiker bestochen hat) ist einfach zu platt. Solche Geschichten sorgen für den Fortbestand von Schubladendenken, Vorurteilen und letztlich Hass in der Gesellschaft. Der Mord an dem korrupten Immobilienhai wird durch den Opfertod der aufrechten Mörderin moralisch gerechtfertigt……..

Aber weshalb ermittelt ein Beamter der Bundespolizei aus Hamburg aus persönlichem Interesse bei einem Mord auf der niedersächsischen Insel Norderney? Wäre da nicht eher das Landeskriminalamt Niedersachsen aus Hannover mit der Kollegin Lindholm zuständig? Hamburg ist hier stellvertretend für den gesamten Norden, naja mit Hamburg haben wir im Nordwesten eher wenig zu tun. Die Binnenalster ist entfernungsgleich mit der Ruhr und der Hamburger Fischmarktslang hat auch überhauptnichts mit dem ostfriesischen Platt zu tun…..

Gerne möchten wir aus Insularer Sicht einige Fakes und Fakten des Tatortes Tödliche Flut gegenüberstellen.

Fakten/Fakes

Das Haus des Immobilienhaies auf Norderney.

Ohgottogottogott, so eine monströse Riesenvilla gibt es nicht auf der Insel! Norderney ist nicht protzig. Natürlich gibt es auch schöne Häuser, aber die ausgesuchte Villa paßt besser in eine Gegend mit viel Platz. Auf den Ostfriesischen Insel ist uns so eine Anwesen nicht bekannt, auch die Bäume / Straße sind unglaubwürdig und habe recht wenig mit dem vorherrschenden Landschaftsbild zu tun.

Das wäre doch eine tolle Villa für einen reichen Immobilienhai gewesen – klassische Architektur, am Strand und vor allem auf Norderney!

Wohnhaus der Haupdarstellerin

Das Wohnhaus der Hauptdarstellerin einsam in den Dünen ist irgendwie aus der Zeit gefallen. In den Dünen selbst gibt es (eigentlich) auch keine Häuser. Fenster, Türen, Küche in diesem Zustand gibt es auf der Insel schon seit längerem nicht mehr.

Der letzte wandhängende Heißwasserboiler in der Küche ist wohl Anfang der 2000er durch Rosenboom entsorgt worden. Auch ist es unwahrscheinlich, dass bei den hiesigen Mietpreisen so ein großes Haus dermaßen vernachlässigt und von so wenigen Personen bewohnt wird….. malerische Häuser hätte es genug gegeben, dem inhaltlichen Anspruch wäre auch mit etwas weniger Holzhammer genüge getan worden.

Altes Inselhaus in der Gartenstraße…. nicht ganz so viel Holzhammer, etwas realitätsnäher……

Bürgermeister

Ein leicht schmieriger Bürgermeister, der sich im Inselfilz sichtlich wohl fühlt, sich für das Kapital einsetzt und ohne Rücksicht auf die Natur Großprojekte in den Dünen fördert, die Einwohner können dabei sehen wo sie bleiben….

In der Realität wird Norderney von einem Mittvierziger mit SPD Parteibuch regiert, dessen Hauptaugenmerk darin liegt, möglichst viele Wohnungen für die Insulaner zu bauen. Politik der letzten Jahre ist es zudem, möglichst viele Ferienwohnungen zu verbieten und diese in Dauerwohnraum umzuwandeln. Als Investor hat man es eher nicht so leicht…..

Altenheim Neubau – Bürgermeister Frank Ulrichs bei der Schlüsselübergabe (7. von links – direkt neben dem Schlüssel)….

Prekärer Bauunternehmer

Der Bauhof des prekären Bauunternehmers und sein Wohnhaus passen sehr gut nach Ostberlin, ins ländliche Brandenburg oder in eine Industriebrache Dortmunds….. man könnte gar nicht sagen, dass es überspitzt dargestellt ist – es ist einfach falsch! Wie soll ein Bauunternehmer auf Norderney (in Deutschland), der so wohnt bzw. so einen Bauhof besitzt jemals auch nur ein Projekt bewerkstelligt bekommen???

Auf Norderney gibt es 3 insulare Bauunternehmer mit eigenem „Bauhof“, einige festländische Bauunternehmer haben hier auch Dependancen eingerichtet. Bauen ist neben Beherbergen sozusagen eine Kernkompetenz der Insulaner. Ständig wird hier gewerkelt – neu gebaut, renoviert.

Neben den Bauunternehmern haben wir sogar zwei Dachdecker, sechs Tischler…… und einen Baumarkt.

Das dramaturgische Ende ist dann sozusagen die Kirsche auf der Sahnehaube. Zusammengekettet im Watt und nur die Verdächtige ertrinkt……… naja, ist ja nur ein Film. Aber vielleicht sollte man sich nächstes Mal auch gleich einen Namen für eine fiktive Nordseeinsel ausdenken.

Danke für Ihren Bericht über den missglückten Tatort vom letzten Sonntag. Genau so haben es mehrere Bekannte empfunden, die die Insel als Tourist etwas kennen, sofort kam das Gefühl auf: Hier stimmt etwas nicht, das ist nicht Norderney! Anhand dieses Tatorts könnte man wohl keine neuen Besucher nach Norderney locken, im Gegenteil…
Mit freundlichen Grüßen
A.R.